Die Plattform migesplus.ch wurde 2004 im damaligen Departement Migration des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) gegründet. Sie wurde von Anfang an durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterstützt. Die Gründung von migesplus war eine der Massnahmen, mit der die Schweiz auf die Anliegen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) reagierte. Diese hatte 1977 das weltweite Ziel «Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000» formuliert. Im Fokus stand der ungleiche Zugang zur Gesundheit in der Welt. Im Juli 2000 unterzeichneten das BAG und das SRK einen Leistungsvertrag. In der Folge verpflichtete sich das SRK zur Gründung eines Zentrums für Migration und Gesundheit – ein Pioniermodell, das zugleich die Migrationsbevölkerung und das Gesundheitssystem ansprach. Mit seinen Schulungen in transkultureller Kompetenz, die beide Seiten befähigen sollen, aus einer neutralen Perspektive heraus zu handeln und das Gegenüber als Individuum wahrzunehmen, wurde das Zentrum zur Wiege der Plattform migesplus.
Im August 2004 ging die Plattform migesplus.ch online. Sie enthielt alle mehrsprachigen Gesundheitsinformationen, die damals für die Migrationsbevölkerung zur Verfügung standen. Fachleute aus dem Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, die mit Migrantinnen und Migranten arbeiteten, konnten sich so einen Überblick über die verfügbaren Materialien verschaffen und diese anschliessend als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in ihrem Arbeitsalltag nutzen und verbreiten. Die Plattform sollte Informationslücken aufdecken, vorbildliche Broschüren als gute Beispiele präsentieren und Wege aufzeigen, wie diese Unterlagen die Migrationsbevölkerung erreichen können. Ein halbes Jahr nach ihrer Lancierung verzeichnete die Plattform bereits 3000 Besucherinnen und Besucher sowie 4500 bestellte Broschüren.
Das SRK verfügte schon damals über einschlägige Erfahrung: Seit 1992 war es für die Gesundheitskontrollen an der Grenze und in den Durchgangszentren zuständig. Im Rahmen dieser Aufgabe schulte es das Personal und übersetzte die Tuberkulose-Informationen in zahlreiche Sprachen. Zwischen 1985 und 1998 verwaltete das SRK ausserdem Begegnungs- und Beratungszentren für anerkannte Flüchtlinge. Dort waren die Themen Übersetzung und psychische Gesundheit, insbesondere Traumata, sehr präsent. 1995 eröffnete das SRK ein Therapiezentrum für Folteropfer, das heutige Ambulatorium SRK.
Die Geschichte von migesplus ist eng mit dem Engagement des SRK im Migrationsbereich verbunden. Dieses wiederum ist stark von der Migrationsgeschichte und -politik der Schweiz geprägt. 1998, als im Zuge des Kosovo-Krieges zahlreiche Menschen in der Schweiz eintrafen, wurde das erste Asylgesetz von 1981 vollständig revidiert. Daraufhin fiel die Flüchtlingshilfe den Kantonen zu und die Hilfswerke verloren ihren Auftrag in der Betreuung anerkannter Flüchtlinge. Das «Departement Flüchtlingshilfe» des SRK musste sich diesen Entwicklungen anpassen. Umbenannt in «Departement Migration», erarbeitete es neue Dienstleistungen und Schulungen im Bereich der transkulturellen Beratung. Die Kurse fanden nicht nur in Schulen (Konfliktmanagement) und Gesundheitsinstitutionen statt, sondern auch in Wirtschaftskreisen und bei Behörden. Mit der wachsenden Zahl an Menschen, die in die Schweiz einwanderten, nahmen auch die Akteure und Gesellschaftsbereiche zu, die von Migrationsfragen betroffen waren. Unter den Hilfswerken entstand eine bisher unbekannte Konkurrenz. Vor diesem Hintergrund verschob das Departement Migration seinen Tätigkeitsschwerpunkt auf den Gesundheitsbereich.
2001 gab das SRK gemeinsam mit Caritas Schweiz und dem BAG den Gesundheitswegweiser Schweiz heraus. Er sollte Migrantinnen und Migranten helfen, sich im Labyrinth des schweizerischen Gesundheitssystems zurechtzufinden. Die Erstellung und Übersetzung in 19 Sprachen war ein aufwändiger, aber lehrreicher Prozess. Der Wegweiser wurde in den Institutionen und durch Ausbildungsverantwortliche im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in Spitälern und Arztpraxen verteilt. Er erfreute sich rasch grosser Beliebtheit und lockte in der Folge zahlreiche Besucherinnen und Besucher auf die migesplus-Website. Ab 2004 bildete das SRK ausserdem Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus: Personen mit Migrationserfahrung, die ihren Landsleuten die Inhalte des Gesundheitswegweisers mündlich vermittelten. Das Ziel war, sowohl gesundheitliche Chancengleichheit zu ermöglichen als auch ein verantwortungsbewusstes Verhalten und eine angemessene Nutzung des Gesundheitssystems zu fördern.
Im Dezember 2001 entstand im Auftrag des BAG die Vorläufer-Plattform «miges.ch». Sie enthielt neben Ausschreibungen für Kurse und Weiterbildungen einige Materialien und diente der Vernetzung. 2004 wurde parallel dazu die Plattform «migesplus.ch» aufgeschaltet, welche Broschüren und Videos in mehreren Sprachen anbot.