Sucht: Prävention ohne Ausgrenzung

Sucht: Prävention ohne Ausgrenzung

Viele im Bereich Gesundheit tätige Organisationen stellen fest, dass sie ihren Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund anpassen müssen. So auch der Kanton Basel-Stadt. Denn um Herausforderungen im Bereich Sucht zu begegnen, reicht es nicht aus, Informationsmaterial in die Migrationssprachen zu übersetzen.

Es braucht entsprechende Massnahmen, um niemanden von den Gesundheitsinformationen auszuschliessen. Bülent Kayas Expertise im Bereich der Chancengleichheit erweist sich als wertvoll. Er wurde im November 2024 für das Magazin «ausgesucht.bs» interviewt. Auszug aus dem Interview mit Manuel Hürlimann, akademischer Mitarbeiter im Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt.

Bülent Kaya ist Migrationsexperte und verfügt über umfangreiche akademische Erfahrung in der Forschung zu verschiedenen Aspekten der Migration, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Er hat zwölf Jahren beim Schweizerischen Roten Kreuz gearbeitet, wo er verschiedene praktische Projekte mit dem Schwerpunkt Chancengleichheit sowie angewandte Forschung in diesem Bereich betrieben hat. Zudem war er im Rahmen des Beratungsangebots migesplus für das Thema Chancengleichheit im Gesundheitsbereich verantwortlich.
Bülent Kaya ist Migrationsexperte und verfügt über umfangreiche akademische Erfahrung in der Forschung zu verschiedenen Aspekten der Migration, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Er hat zwölf Jahren beim Schweizerischen Roten Kreuz gearbeitet, wo er verschiedene praktische Projekte mit dem Schwerpunkt Chancengleichheit sowie angewandte Forschung in diesem Bereich betrieben hat. Zudem war er im Rahmen des Beratungsangebots migesplus für das Thema Chancengleichheit im Gesundheitsbereich verantwortlich.

Bülent Kaya, Sie beraten Gesundheitsorganisationen bezüglich der Chancengleichheit in ihren Angeboten. Was bedeutet das konkret?

Nehmen wir an, dass Sie Informationsmaterial zum Thema Sucht erstellen möchten, um Familienangehörigen einen Leitfaden zum Umgang mit einem suchtkranken Kind oder suchtkranken Eltern zu geben. Und Sie möchten, dass alle betroffenen Personen auf dieses Informationsmaterial zugreifen können. Allein die Idee, dass «das Projekt allen offensteht», garantiert nicht, dass alle betroffenen Personen die gleiche Möglichkeit haben, auf dieses Material zuzugreifen, wenn Sie nicht entsprechende Massnahmen vorsehen, um niemanden auszuschliessen.

Für einen durchdachten Ansatz der Chancengleichheit muss zunächst berücksichtigt werden, dass die Zielgruppe dieses Projekts sehr vielseitig ist, sowohl was den Bildungsgrad als auch was die Sprachkenntnisse angeht. Sie müssen daran denken, dass dieses Material für Personen, die einen geringeren Bildungsgrad haben, einfach verständlich sein muss. Ebenso gilt es, fremdsprachige Personen zu berücksichtigen, die eine der Landessprachen gar nicht oder nicht gut genug beherrschen. Auch sie müssen von diesem Material profitieren können. Dabei stellt sich die Frage nach der Übersetzung in mehrere Migrationssprachen.

Auch muss die Form (der Kanal) des Materials überlegt sein. Ist zum Beispiel eine Informationsbroschüre für die Bedürfnisse der benachteiligten Zielgruppe angemessen? Und garantieren die vorgesehenen Verbreitungswege, dass diese Zielgruppe auf die erstellten Informationsmaterialien zugreifen kann? Welche Kanäle werden von unterschiedlichen benachteiligten Gruppen am häufigsten genutzt? Bei unserer Beratung berücksichtigen wir die Realitäten und Anforderungen jedes Projekts und behandeln unterschiedliche Herausforderungen, um die Chancengleichheit zu erhöhen.

«Allein die Idee, dass «das Projekt allen offensteht», garantiert nicht, dass alle betroffenen Personen die gleiche Möglichkeit haben, auf das Präventionsmaterial zuzugreifen.»

Welche Leistungen bietet migesplus zum Thema Sucht und was tragen sie zur Unterstützung benachteiligter Personengruppen bei?

Die Plattform migesplus bietet einen Gesamtüberblick über das in der Schweiz verfügbare mehrsprachige Informationsmaterial zu Gesundheitsthemen. Das ist ein einmaliger Service in der Schweiz, vor allem, weil die Herausforderung nicht ein Mangel an Informationen ist – davon gibt es sogar einen Überfluss im Internet. Das Problem liegt vielmehr darin, zuverlässige Informationen zu erhalten. Auf der Plattform migesplus finden Sie eine Reihe von Informationen in unterschiedlichen Formaten (Broschüren, Videos etc.) zu zahlreichen Themen in Verbindung mit Suchterkrankungen, sei es Alkohol-, Drogen-, Nikotin- oder Spielsucht. Dort gibt es auch 165 Publikationen zu diesem Thema.

Ein weiterer Beitrag rund um das Thema Sucht ist unser Beratungsdienst. Er richtet sich gezielt an Personen, die ein Finanzierungsgesuch beim Tabakpräventionsfonds (TPF) und beim Alkoholpräventionsfonds (APF) einreichen möchten. In erster Linie beraten wir die Gesuchstellenden darin, wie die Chancengleichheit in ihren Finanzierungsgesuchen an diese Fonds Berücksichtigung findet. Anschliessend prüfen wir das Finanzierungsgesuch, um Verbesserungsvorschläge zu machen. Dabei geht es vor allem darum, die Bedürfnisse benachteiligter Personengruppen auf unterschiedlichen Ebenen zu berücksichtigen, sei es in der Konzeptions-, Umsetzungs- oder Bewertungsphase.

Im Rahmen von migesplus betreiben Sie eine spezielle Plattform zu den Medien der Migrationsbevölkerung. Welche Bedeutung hat sie für den Zugang zu Gesundheitsinformationen?

Diese Plattform heisst migesMedia. Sie vereint Medien unterschiedlicher Formate – zum Beispiel Online-Medien, Printmedien, Radio oder Fernsehsendungen. Es handelt sich um Medien, die von Personen mit Migrationshintergrund in der Schweiz in ihren Herkunftssprachen erstellt wurden. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Medien und Gesundheitsorganisationen zu fördern, um die Migrationsbevölkerung bestmöglich mit Informationen zu versorgen. Diese Medien sind essenziell, weil sie Chancen bieten, Personen, deren Sprachkenntnisse in einer Landessprache nicht ausreichen, Informationen in ihrer Herkunftssprache zur Verfügung zu stellen.

Um die Bedeutung dieser Medien bei der Verbreitung von Informationen zu verdeutlichen, ist die Kampagne gegen Covid-19 ein gutes Beispiel. Während der Covid-19-Pandemie von April 2020 bis Ende 2022 haben rund 30 Medien systematisch Informationen und Botschaften des Bundesrats in ihren Sprachgemeinschaften in 17 Sprachen verbreitet. Durch die Nutzung unterschiedlicher Mittel wie Videos, Online-Gespräche, Newsletter, Banner und Inhalte in sozialen Netzwerken sind insgesamt 900 Beiträge entstanden. Diese Vorgehensweise ermöglicht nicht nur benachteiligten Personen – zum Beispiel älteren Personen oder Personen mit einem geringeren formellen Bildungsgrad – auf Informationen speziell zu ihren Bedürfnissen zuzugreifen. Sie stärkt ebenfalls die Akzeptanz für diese Informationen, da sie diese über die ihnen vertrauten Kanäle erhalten.

Welches sind die grössten Herausforderungen für benachteiligte Personen, wenn es um den Zugang zu Informationen geht?

Die grössten Herausforderungen sind die Digitalisierung von Leistungen und Informationen und die damit einhergehende digitale Kluft. Obwohl zahlreiche Gesundheitsinformationen wie elektronische Akten online verfügbar sind, können diese Personengruppen nicht auf die dafür notwendigen Technologien zugreifen. Dieses Problem wird durch fehlende digitale Gesundheitskompetenzen verstärkt, wodurch die effektive Nutzung der verfügbaren Angebote erschwert wird. Beim Thema Sucht ist dieses Problem besonders deutlich. Die Informationen zu Hilfsleistungen und Präventionsangeboten finden sich oft online. Doch der begrenzte Zugang zu Technologien und die schwach ausgebildete digitale Kompetenz hindern benachteiligte Personen daran, Online-Anwendungen und -Plattformen wie zum Beispiel die Stop-Smoking-App zu nutzen.

Die digitale Kluft, die bei benachteiligten Personen häufiger vorhanden ist, stellt eine zusätzliche Barriere dar, die viele von ihnen daran hindert, ein Angebot zu nutzen, das eigentlich allen Menschen offenstehen sollte. Wenn wir stärker in den Aufbau der digitalen Gesundheitskompetenz von benachteiligten Personen investieren, können wir auch den Zugang zu digitalen Informationen und Präventionsangeboten verbessern.

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